Cittaslow, auch Slow City oder Vereinigung der lebenswerten Städte genannt, ist ein transnationales Städtenetzwerk. Die Slow City Bewegung entstand 1999 in Italien. Die Bürgermeister von vier norditalienischen Kleinstädte (Bra, Greve in Chianti, Positano und Orvieto) formulierten gemeinsam mit dem Gründer von Slow Food Carlo Petrini die Gründungscharta.

Globalisation, although representing an opportunity of exchange and circulation, has a tendency though, to flatten-out the differences and hide the features typical of the individual communities, proposing pedestrian average models that do not belong to no one and generate, inevitably, mediocrity. But a different need is spreading, of new solutions that go toward research and spreading of excellence, without necessarily turning it in an elite event, but instead, proposing it as a cultural event, and as such universal. From here the success of the many who have searched specificity and have brought it to the knowledge of the world. (Gründungscharta, S. 20)

Die Slow City Bewegung möchte dem homogenen und standardisierten globalen Dorf regionale und lokale Besonderheiten entgegensetzen. Knox (2005: 6) sieht sie als ein Beispiel für die Wiederentdeckung der Kultur des Ortes und als eine Antwort von unten auf die Globalisierung. Die Slow Food Bewegung und die Slow City Bewegung ähneln sich in ihrer Philosophie. Slow Food ging 1989 aus der Organisation Arcigola hervor, die während des italienischen Weinpansch-Skandals gegründet wurde. Angeheizt wurde die Diskussion um italienische Esskultur Mitte der 1980er Jahre auch durch die Gründung einer McDonald’s-Filiale an der spanischen Treppe im Herzen Roms.

Slow Food ist der Schnittpunkt von Ethik und Genuss, von Nachhaltigkeit und Gastronomie. Als Bollwerk gegen die Homogenisierung des Geschmacks, die unbeschränkte Macht der Multiunternehmen, die industrielle Landwirtschaft und den Wahn der Schnelllebigkeit gibt Slow Food den Lebensmitteln ihre kulturelle Würde zurück und verlangsamt den Rhythmus der gemeinsamen Tafelfreuden zu Tisch. (Slow Food Fibel)

Einer der wichtigsten Prinzipien von Slow Food knüpft an das Terroir-Prinzip an. Von Slow Food wird dieses Prinzip begriffen als die Verbindung eines Ortes mit seinen Menschen und seiner Landschaft zu den dort traditionell produzierten Lebensmitteln. Hier sehen Mayer/Knox (2006a: 326-327) die inhaltliche Verbindung zur Slow City Vereinigung, die eine Strategie zur Förderung der lokalen Besonderheiten in der Stadtentwicklung entwirft (vgl. Mayer/Knox 2006a: 326-327).

CittaSlow: Erzeuger unterstützen

Die Satzung der Slow City Bewegung legt fest, dass die Mitgliedsstädte nicht mehr als 50 000 Einwohner haben und weder Provinz- noch Bezirkshauptstadt sein. In der Charta sind die Themenfelder aufgelistet, in denen eine Slow City aktiv sein soll. Im Wesentlichen gehört dazu eine Politik, die die Besonderheit und Charakteristik der Region und des städtischen Leben fördert. Städtebau und Infrastrukturentwicklung sollen das Gebiet bereichern und Geschichte, Tradition und die Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigen. Der Genuss und die Produktion von Lebensmittel müssen auf umweltfreundlichen, traditionellen Methoden beruhen. Die grüne Gentechnik wird abgelehnt. Lokale und regionale Produkte – über Lebensmittel hinaus sollen gefördert werden. Die Verbraucher sollen motiviert werden, Hersteller und Erzeuger zu unterstützen. Eine große Gastfreundschaft soll sicherstellen, dass Einheimische und Besucher die Attraktionen der Stadt und der Region bestmöglich nutzen können. Bürger und Besucher müssen motiviert werden, ein Verständnis für Qualität des Lebens, von Essen, Trinken und Geselligkeit sowie den Wert der lokalen Traditionen zu entwickeln (vgl. Cittaslow UK o.D.). Darüber hinaus gibt es eine Kriterienliste für die Bereiche

  • Umweltpolitik,
  • Infrastrukturpolitik,
  • Urbane Qualität,
  • Aufwertung einheimischer Erzeugnisse,
  • Gastfreundschaft,
  • Cittaslow-Bewusstsein und
  • landschaftliche Qualität.

Die jeweiligen nationalen Vereinigungen passen diese Kriterien auf die jeweilige Situation an. Der Aufnahme einer Stadt in die Slow City Vereinigung geht eine Selbsteinschätzung voraus. Alle 4 Jahre muss eine Stadt durch Cittaslow neu zertifiziert werden (vgl. Mayer/Knox 2006b: 24-30). Während in der Charta Handlungsfelder beziehungsweise eine Agenda aufgezeigt wird, ist die Kriterienliste im Wesentlichen eine Abfrage des Bestandes – aus der sich keine Maßnahmen ergeben.

Cittaslow und Slow City
Das Cittaslow-Logo

Mayer/Knox (2007: 206-207, 217) kennzeichnen die bestehenden Slow Cities als frühere Handelsstädte, die nicht von der Industrialisierung profitierten und deswegen heute von den Problemen der Deindustrialisierung verschont werden. Sie seien gekennzeichnet von einer gut erhaltenen mittelalterlichen Bausubstanz und einem ebensolchen Stadtbild. Sie liegen oft im Umland von größeren Städten, von denen sie wirtschaftlich profitieren. Ein weiterer wirtschaftlicher Vorteil ist ihre Attraktivität für Touristen.

Aus diesen Gegebenheiten ziehen sie heute im Zeitalter weltweiter Harmonisierung und Standardisierung einen Vorteil: Sie besinnen sich auf ihre Vergangenheit und nutzen ihre historisch gewachsenen spezifischen Identitäten und Eigenheiten als Unterscheidungs- und Qualitätsmerkmale. (Mayer/Knox 2007: 206-207)

Die Slow Cities gehören zum „Rurban Belt“ (Kunzmann/Wegener 2006: 39) und damit zu den potenziellen Gewinnern der Suburbanisierungstendenzen. „Although rather effective regional physical plans limit the development of agricultural land for new out-of- town residential developments, the suburban local governments do not hesitate to promote their own communal interests.“ (Kunzmann 2007: 176) Steigende Einwohnerzahlen sichern den städtischen Haushalt und helfen die lokale Infrastruktur zu erhalten und auszubauen.

Cittslow in Deutschland

Die Slow City Bewegung startete in Italien. Bis heute liegt der Großteil der Mitgliedsstätte in Norditalien. Die ersten Schritte der Internationalisierung waren Slow Cities in Großbritannien, Norwegen und Deutschland. Heute gibt es Mitglieder in 18 Nationen von Australien über Südkorea bis zu den USA. Hersebruck war in Jahr 2001 die erste Slow City außerhalb Italiens und entwickelte die Organisationsstruktur der deutschen Vereinigung lebenswerter Städte. Die nächsten deutschen Mitglieder waren Waldkirch (im Schwarzwald), Schwarzenbruck (in Mittelfranken) und Überlingen (am Bodensee). Wobei Mayer/Knox (2006a: 32) feststellen, dass Schwarzenbrück nicht in der Slow City Bewegung aktiv geworden ist und Überlingen keine Slow City Agenda entwickelt hätte. Mitglieder neueren Datums sind Lüdinghausen (im Münsterland), Marihn (im Landkreis Müritz), Wirsberg (in Oberfranken), Nörlingen (in Schwaben) und Deidesheim (in der Pfalz).

Impressionen aus Hersebruck

Cittaslow im Web
Cittaslow International
Cittaslow Deutschland

Überarbeiteter Auszug aus Philipp Stierand (2008): Stadt und Lebensmittel. Die Bedeutung des städtischen Ernährungssystems für die Stadtentwicklung. Dissertation. Detaillierter Quellennachweis im Literaturverzeichnis dort.