Manchmal liegen andere Meinungen so außerhalb des eigenen Diskussionsspektrums, das man sprachlos bleibt, obwohl es eigentlich eine Menge richtig zu stellen gäbe. So geschehen neulich in Berlin, als auf einem Workshop zur urbanen Landwirtschaft ein Vortrag über das niederländische Konzept der Agroparks gehalten wurde. Quasi ein  (Food) Crash völlig unterschiedlicher Konzepte und so überraschend als würde auf einer Tagung für neue Mobilitätskonzepte der Porsche Cayenne als Lösung präsentiert. Viel Technik, PS und Hochglanzlack, scheinbar höchstmodern und trotzdem nicht zielführend. Zum Glück konnte ein anwesender Volkswirtschaftler, geübt in grundsätzlichen Diskussionen, dem Konzept grandios Paroli bieten. Dem der Agroparks, von Porsche SUVs war dann doch nicht die Rede.

Grundsätzliche Argumente  für eine solche Diskussion liefert auch das neue Buch FOOD CRASH: Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr. Der Autor Felix zu Löwenstein, Biolandwirt und Vorstandvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, stellt hier die industrielle, konventionelle Landwirtschaft als Sackgasse und die ökologische Landwirtschaft als Lösung für die Welternährung dar.

In einem ersten Schritt fragt er, ob sich die Welternährungsprobleme wirklich über eine Steigerung der Produktionsmenge von Lebensmitteln lösen lassen. Seine Antwort ist ein klares Nein, die entscheidenden Themen zur Sicherung der Ernährung sind:

Schutz der Böden, Eindämmung des Klimawandels, Anpassung der Ernährungs- und Lebensstile an die Potenziale des weltweiten Ökosystems sowie eine gerechte Politik für den Zugang zu den Ernährungsressocurcen. Gelingt es uns an dieser Stelle nicht eine echte Wende zu vollziehen, und glauben wir, dass wir zur Lösung unserer Probleme nur einfach mehr desselben tun müssen, dann kann es keinen Zweifel gebe, wie das Enden muss: in einem weltweiten Food Crash.

Und was heißt eigentlich Effizienz von konventioneller Landwirtschaft? In der aktuellen Diskussion ist die Effizienz von Landwirtschaft eigentlich immer eine möglichste hohe Produktion auf einer bestimmten Fläche. Den  Boden aber als das einzig knappe Gut, den einzige Produktionsinput zu betrachten, greift zu kurz. Von Löwenstein zählt noch Wasser, Dünge- und Spritzmittel, Saatgut und Arbeitszeit des Landwirts auf. Und spätestens wenn die öffentlichen knappen Güter, wie Rohstoffe (Erdöl, Phosphat), die Atmosphäre, die Biodiversität, das Wasser und seine Reinheit, die Gesundheit der Menschen, fruchtbare Böden und den Tierschutz, betrachtet werden, löst sich die Idee der Effizienz von konventioneller Landwirtschaft in Luft auf.

Als Lösung für die Welternährung setzt von Löwenstein auf ein Konzept der ökologischen Intensivierung und erläutert es am Beispiel seiner Erfahrungen in der Entwicklungsarbeit. Als Unterstützer für dieses Konzept führt er unter anderem den Welternährungsbericht, das United Nations Environment Programme und ein Papier der Deutschen Bank an. Aber kann jetzt Bio die Welt ernähren?

Gibt es tatsächlich jemand der die Welt ernähren kann? Oder geht es nicht darum, die das allen Menschen wo immer sie auf der Welt leben, das Recht verschafft werden muss, souverän über ihre eigene Ernährung zu bestimmen und diese so weit als möglich selbst in der Hand zu behalten?

Diese Ernährungsouvernität sei mit Hilfe der ökologischen Intensivierung erreichbar. Im letzten Kapitel erläutert von Löwenstein über welche Hebel in der Politik und im Verbraucherverhalten er dieses verwirklichen möchte. Anhänger von Agroparks wird auch dieses hervorragende Buch nicht überzeugen, wer aber Schneller-Höher-Weiter-Lösungen großer Probleme eher skeptisch gegenüber steht, der findet hier eine gute Vorbereitung auf den nächsten Porsche Cayenne in einer Ernährungsdiskussion.

Felix zu Löwenstein:  FOOD CRASH: Wir werden uns ökologisch ernähren oder gar nicht mehr. 2011