Bewaffnet mit Wildblumensamen und Stiefmütterchen, ausgerüstet mit Samenbomben und Zwiebelpflanzern schleichen sie nachts durch unsere Städte. Guerilla Gardening, in den 1970er in New York entstanden, erlebt seit einigen Jahren in Europa eine Renaissance. In nächtlichen Aktionen bepflanzen Guerilla Gärtner verwahrloste Grundstücke, Verkehrsinseln und Baumscheiben. Den Gärtner geht es um eine Wiederaneignung des Öffentlichen Raums, die Ideen dahinter reichen vom politischen Protest und zivilen Ungehorsam bis zu „Meine Baumscheibe soll schöner werden“. Ich habe in Duisburg mit einem aktiven Guerilla Gärtner und Betreiber des Blogs gartenstadt2punkt0 gesprochen.

Was ist Guerilla Gardening für Dich?
Bei Guerilla Gardening geht es darum auf Flächen zu Gärtnern, die einem nicht selber gehören. Dafür gibt es zwei Hauptmotivationen: Die einen möchten ihre Lust am Gärtnern ausleben und den öffentlichen Raum verschönern, die anderen wollen sich selbst versorgen. „Guerilla“ ist ein Ausdruck, den ich nicht unbedingt für diese Art des Gärtnerns benutze. In diesem Wort schwingt so etwas Kriegerisches mit. Das hört sich so an als würde man nur maskiert herumlaufen und wild auf irgendwelchen Flächen gärtnern. Aber Guerilla Gardening ist für mich und viele andere, die ich kennenglernt habe, mehr: Gärtnern ist eine Grundtugend des Menschen und die wollen wir auch ausleben, dort wo es uns sinnvoll erscheint. Zum Beispiel auf vernachlässigten Flächen im Öffentlichen Raum. Es gibt genug Gärtner, die das offensichtlich, mittags in der Fußgängerzone machen.

Dig Kirchenplatz St. Judas Thaddäu, Duisburg
Dig Kirchenplatz St. Judas Thaddäu, Duisburg

Aber wenn ich Guerilla Gardening lese, wenn ich mir Deinen Blog angucke, dann macht dieses Geheime doch auch den Reiz aus, oder?
Richard Reynolds, der wohl weltweit bekannteste Guerilla Gärtner, sieht das Gärtnern sehr stark in dem Kontext von Guerilla und Guerilla Krieg. Seiner Meinung nach soll man aktiv werden und sich das Land kämpferisch zurücknehmen. Ich persönlich bin auch bei Dunkelheit unterwegs weil ich es spannender finde. Man fällt viel mehr auf. Das ist meine Art Reaktionen hervorzurufen, mich mit der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. Bis jetzt hatte ich aber noch keinen Kontakt mit der Polizei, die Diskussionen hätte ich schon spannend gefunden. Mein Bild von Guerilla Gardening hat sich verändert, seit dem ich mich stärker damit auseinandersetze. Ich merke dass es sehr viel facettenreicher ist, als es zu Beginn schien. Ich habe Guerilla Gardening über das Internet kennengelernt und dann über Richard Reynolds den Zugang gefunden. In den Medien wird das Gärtnern als eine illegale, nächtliche Aktion dargestellt. Damit habe ich mich anfangs identifizieren können und es nachgemacht. In der Diskussion mit anderen Gärtnern bin ich aber zu der Meinung gekommen, dass Guerilla Gardening mehr ist als dieses in den Medien projizierte Bild des illegalen Gärtnerns.

Wie weit ist Guerilla Gardening in Deutschland verbreitet?
Das nachzuvollziehen ist schwer. Es gibt im Internet über guerrillagardening.org eine Plattform auf der man regionale Schwerpunkte ablesen kann. In Berlin ist es sehr stark verbreitet, in München ist die Bewegung auch stark. Frankfurt, Hamburg und Köln sind weitere Metropolen für Guerilla Gardening. Das Ruhrgebiet ist gerade in der Entwicklung. In Duisburg gibt es fünf oder sechs Gärtner, die ich aber auch nur über das Forum kenne. In Dortmund bin ich in Kontakt mit zwei Gärtnern, die Szene dort ist allerdings auch nicht größer als in Duisburg.

Wie gehen die Städte mit dem Thema um? Ist das für die ein Angriff auf ihre Kompetenzen oder eher ein Engagement von Bürgern für ihre Stadt?
Es ist für mich natürlich schwierig zu sagen, wie die Kommune das empfindet. Aber aus den Gesprächen mit anderen Guerilla Gärtnern weiß ich, dass viele Städte sich übergangen fühlen. Die Bürger werden aktiv und zeigen der Stadt: „Das ist eigentlich Deine Aufgabe, aber die machen wir jetzt.“ Das verstehen einige Städte als offensiven Angriff.

International Tulip Guerrilla Gardening Day, Dortmund 09.10.10
International Tulip Guerrilla Gardening Day, Dortmund 09.10.10

Am Besten kenne ich da die Situation in Berlin, dort gehen einige Bezirke sehr offensiv mit Guerilla Gardening um. Einige Stadtteile dulden es und greifen nicht ein, sondern suchen den Kontakt um im Zweifel einen Ansprechpartner zu haben. Andere Bezirke kümmern sich gar nicht um das Thema und sind eher ablehnend. Für das Begärtnern von Baumscheiben gibt es in Berlin einen Info-Flyer. Was darf man Pflanzen? Was passt nicht zum Thema Verkehrssicherheit? Was ist giftig? Was schadet dem Baum? Es gibt sogar eine vertraglich Vereinbarung mit der Stadt, in der man erklärt, dass man sich um die Fläche kümmert. Die Stadt nimmt die Baumscheibe dann aus ihrem Pflegeprogramm raus, damit man die Pflanzen, die man gesetzt hat, nicht durch einen Pflgetrupp der Stadt in der nächsten Woche wieder verliert. Das funktioniert bis jetzt ganz gut, ist aber erst ein Anfang.

Wie sollten denn Städte Deiner Meinung nach mit dem Thema Guerilla Gardening umgehen?
Guerilla Gardening ist nicht planbar. Für die Stadt ist deswegen die Attraktivität nur sehr schwer zu erkennen. Ich würde das an städtischer Stelle aber trotzdem sehr begrüßen. Als Grünflächenamt würde ich versuche die Flächen, auf denen wild gegärtnert wird, zu schützen und die Guerilla Gärtner zu unterstützen. Vielleicht kann ich so die Bewegung in meiner Stadt fördern. Es ist nun mal so, dass die Stadt nicht mehr soviel Geld für ihre Grünflächen zu Verfügung hat. Repräsentative Flächen werden vielleicht noch intensiv gepflegt, aber alles was nicht im unmittelbaren Fokus ist verkommt. Gerade auf solchen Flächen lässt sich Guerilla Gardening aus städtischer Sicht nutzen. Das Problem ist, dass es bei der Stadt interessierte Leute geben muss, die versuchen so eine Bewegung aktiv in das Planungsgeschehen einzubinden. Es sollte vielleicht bei der Stadt einen Ansprechpartner geben, wo jeder der wirklich Lust auf Gärtnern hat, aber keinen eigenen Garten besitzt sich melden kann.

Guerilla Gardening in der Dortmunder Innenstadt
Guerilla Gardening in der Dortmunder Innenstadt

Was ist Deine Motivation für das Guerilla Gärtnern?
Ich bin mit Garten aufgewachsen, als kleiner Junge habe ich Sonnenblumen ausgesät und Kastanien verbuddelt. Während meines Raumplanungsstudiums habe ich gelernt, die Stadt mit anderen Augen zu sehen als vielleicht jemand der gerade auf dem Weg zum Shoppen ist. Ich habe ein Auge dafür entwickelt, welche Flächen nicht oder nicht richtig genutzt werden. Dabei ist mir aufgefallen, wie viele Flächen in den Innenstädten und in den Wohnvierteln Brach liegen, vermüllen und verwahrlost wirken. Das war ein erster Zugang. Als ich mich mit Brachflächen näher beschäftigt habe und auf Guerilla Gardening gestoßen bin, habe ich für mich beschlossen, dass das eine gute Sache ist. Guerilla Gardening ermöglicht mir wieder zu gärtnern und so zu gärtnern, wie ich es will. Der Erfolg ist sichtbar, ich sehe was ich geschaffen habe. Und ich kümmere mich um Flächen, die meiner Meinung nach mehr gepflegt werden müssten. Das finde ich eine tolle Sache.

Du betreibst den Blog gartenstadt2punkt0. Was ist die Idee dahinter?
Ich finde Guerilla Gardening ist eine faszinierende Bewegung. Was gibt es schöneres und harmonischeres als Blumen zu pflanzen? Meine ersten Versuche Kontakt zu anderen Gärtner in der Region zu finden, sind alle im Sand verlaufen. Der Blog soll die Idee des Guerilla Gardening im Ruhrgebiet verbreiten. Er soll einen Zugang zu dem Thema ermöglichen, er soll zeigen das in der Region etwas passiert und soll Menschen motivieren mitzumachen. Außerdem finde ich es schöner in der Gruppe unterwegs zu sein.

Werdet ihr mehr im Ruhrgebiet? Wird das eine Bewegung oder bleibt Guerilla Gardening eher im privaten Rahmen?
Es gibt immer mehr Leute, die sich für das Thema interessieren. Aber der Schritt dann wirklich vor die Tür zu gehen, ist für jeden Einzelnen eine gewisse Überwindung. Was die Gründe dafür sind, kann ich nicht genau sagen. Die Vernetzung insgesamt funktioniert ziemlich gut, man muss aber auch mal bereit sein in eine andere Stadt zu fahren, gerade wenn man im Ruhrgebiet gärtnert.

Was steht an? Was sind die nächsten Aktionen?
Im Moment ist Winterpause. Ich schau immer ein bisschen nach meinen bereits angelegten Gärten, aber im Frühjahr geht es wieder richtig los.

Buchtipp: Richard Reynolds (2009): Guerilla Gardening: Ein botanisches Manifest.