In der Diskussion um die Ernährungspolitik im Land Berlin ist im Koalitionsvertrag der Regierung eine neue Idee aufgetaucht: das „House of Food“. Ziel der Koalition ist es den Anteil an Bio-Essen in Kindertagesstätten, Schulen, Kantinen, Mensen und beim Catering in öffentlichen Einrichtungen bis 2021 deutlich zu erhöhen. Als Vorbild soll Kopenhagen dienen: Hier wurde besseres Essen für alle ohne Mehrkosten Realität. Kenneth Højgaard vom Kopenhagener Madhus berichtete bei der Auftaktveranstaltung zur Berliner Ernährungsstrategie von dem Projekt „House of Food“. Der Berliner taz erklärte ein Sprecher des Verbraucherschutzsenators, das Kopenhagener Modell solle „auf Berlin und die hiesigen Rahmenbedingungen, die es zu analysieren und auszuwerten gilt, übertragen werden“. In den Berliner Haushalt für 2018/19 wurden bereits Mittel für ein „House of Food“ eingestellt. Doch was ist dieses „House of Food“ genau?

2007 hat Kopenhagen eine große Vision formuliert: Im Jahr 2015 wollten sie als die Umwelt-Hauptstadt der Welt bekannt sein. In den aus dieser Vision abgeleiteten Zielen fehlt das Thema Ernährung noch völlig. Doch in den folgenden Diskussionen wurde klar, dass auch Lebensmittelerzeugung und -konsum einen Beitrag für den Umweltschutz leisten müssen. Als Ziel wurde formuliert: 20 % der in Kopenhagen verzehrten Lebensmittel sollen aus ökologischer Produktion kommen. Die städtischen Kantinen sollten als Vorreiter und Vorbilder zeigen, wie das geht.

House of Food: Know-how für besseres Essen

In Kopenhagen werden aktuell rund 40 Millionen Euro im Jahr für die Gemeinschaftsverpflegung ausgegeben. In 1100 kommunalen Küchen werden rund 80.000 Essen täglich produziert. 1700 Menschen arbeiten für die Stadt, um Kindergärten, Schulen, Altersheime, Krankenhäuser und Verwaltungen mit warmem Essen zu versorgen. Die Frage, vor der die Stadt stand, war: Wie lässt sich ein so großer Apparat auf Bio umstellen?

Ein einfacher Weg wäre es, dauerhaft die Preisunterschiede zwischen Bio und Konventionell zu subventionieren. So müssten sich Arbeitsweisen in den Küchen nicht ändern, die Speisepläne könnten unverändert bleiben. Doch das sollte nicht die Lösung sein. In Kopenhagen wurde zwei Jahre daran gearbeitet einen anderen Weg zu finden. Die Qualität der Speisen und der Zutaten sollte optimiert, die Ernährungsqualität erhöht und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter verbessert werden. Und das möglichst ohne einen dauerhaft erhöhten Etat. Die Kopenhagener Lösung war schließlich: Für 10 Jahre sollten 2 % des Etats der Gemeinschaftsverpflegung in Know-how und Schulungen der Mitarbeiter gesteckt werden, um dann langfristig mit dem gleichen Etat eine bessere Verpflegung zu ermöglichen. Dafür wurde eine dauerhafte Institution geschaffen, das House of Food.

Selbst kochen und Müll reduzieren

Dieses ehrgeizige Vorhaben erforderte es, eine neue Art des Wirtschaftens für die Küchen zu entwickeln, das Küchenpersonal zu überzeugen und ihnen die richtigen Fähigkeiten an die Hand zu geben. Dafür wurden ein Bündel von Regeln entwickelt, das sich mit den Schlagworten „Saisonale Küche“ und „Verzicht auf Convenience“ beschreiben lässt. Im Einzelnen lauten sie:

  • Weniger Fleisch, unterschiedliche Fleischsorten und die Nutzung des ganzen Tieres, nicht nur der Edelteile.
  • Mehr Gemüse in der ganzen Vielfalt des saisonalen Angebots.
  • Mehr und bessere Kartoffeln.
  • Saisonale Früchte.
  • Mehr Brot und Getreide in vielfältiger Verwendung.
  • Wenig Süßes, wenig Teures.
  • Menüs geschickt komponieren, zwischen Fest- und Alltag unterscheiden.
  • Alte Haushaltstugenden anwenden; Müll reduzieren.
  • Kritischer Gebrauch von Fertig- und Halbfertig-Zutaten; vielfältige Zutaten einsetzen.

Der Erfolg ist durschlagend: Besonders in kleinen Küchen (wie beispielsweise in Kindergärten) kommen 90 % Bio-Produkte zum Einsatz. Aber selbst bei den großen Zentralküchen ist es eine Quote von 60-70 % – und das weitgehend kostenneutral. Begonnen hatte das „House of Foods“ als Institution, die in Kopenhagen die Gemeinschaftsverpflegung verbessern sollte, mittlerweile hat sich der Aktionsradius auf ganz Dänemark ausgedehnt.

Und jetzt kommt das Konzept des House of Food nach Berlin. In Berlin funktioniert Gemeinschaftsverpflegung anders als in Kopenhagen, so dass das Konzept an die anderen Rahmenbedingungen angepasst werden muss. Außerdem schreibt der Koalitionsvertrag explizit die Wahlfreiheit zwischen vegan, vegetarisch und fleischhaltiger Mahlzeiten fest. Aber im großen Stil in das Wissen und Können von Menschen zu investieren, um die Berliner mit umweltfreundlichen, gesunden und leckerem Essen zu versorgen, hört sich nach einer richtig guten Idee an, finden die Speiseräume.

Kopenhagen: Bio in der Gemeinschaftsverpflegung (englisch)

Quellen
Hultberg, Anya; Madsen, Betina Bergmann (2012): Public Food in Copenhagen. Organic conversion on the road towards sustainable food supply. Copenhagen House of Food, November 2012.
Lacourt, Isabelle; Mariani, Maurizio (2015): City food policies. Securing our daily bread in an urbanizing world. Aosta (Eating City).
Ronzheimer, Manfred (13.01.2018): Gut essen soll leichter werden. taz Berlin.

Photocredit: Superkilen, Copenhagen // Giuseppe Milo // CC BY 2.0